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Aktuelles

Schweizer Banken und Vermögensverwalter müssen Provisionen an Kunden auskehren - Klagen in Deutschland möglich

A. Ausgangslage

1. Was sind Retrozessionen?

Retrozessionen oder Kickbacks sind Provisionen, die beispielsweise von einer Bank an einen Vermögensverwalter fließen, der seinen Kunden Produkte der Bank verkauft hat. Der Vermögensverwalter erhält somit einen Teil der Kommissionen der Bank. Die Bank wiederum erhält Provisionen von anderen Banken oder Produktanbietern, damit sie deren Produkte im Wertschriftendepot des Kunden hält. Dazu gehören auch die konzernintern verrechneten Provisionen. Finanziert werden diese Kickbacks indirekt vom Kunden, denn sie sind in den Produkt- und Bankgebühren einkalkuliert. Dies schmälert die Rendite und fördert Interessenkonflikte zwischen Berater und Kunde. Berater und Bank können ihre Einnahmen durch Retrozessionen steigern, indem sie ihren Kunden teure und intransparente Finanzprodukte ins Depot legen.

2. Zum Thema Retrozessionen heißt es im Artikel aus „Die Welt“ vom 03.01.2016 u.a.:

Schwarzgeld-Kunden machen ihren Schweizer Banken Ärger: Nach der Selbstanzeige wollen sie zumindest einen Teil des Geldes zurück. Ein Richterspruch bestärkt sie

Über Jahrzehnte hinweg konnten Ratschläge der Banker noch so verlustträchtig sein, die Provisionen und Gebühren noch so vermessen: Die meisten deutschen Kunden unternahmen nichts dagegen, Hauptsache, das Geld war vor deutschen Steuerbehörden sicher. Selbst für das Nichtzustellen verräterischer Korrespondenz zahlten Schwarzgeldbesitzer bereitwillig ein paar Hundert Franken extra pro Jahr. Zehntausende deutsche Kunden waren Geiseln ihres eigenen Betrugs. Und die Schweizer Institute lebten gut davon.

Doch das funktioniert jetzt nicht mehr. Mehr als 120.000 Steuerhinterzieher haben sich hierzulande seit 2010 selbst angezeigt und ausstehende Verpflichtungen gegenüber dem deutschen Fiskus beglichen. Allein im abgelaufenen Jahr kamen laut Umfrage der „Welt am Sonntag“ bei den Finanzministerien der Länder knapp 15.000 Anzeigen hinzu. Ihre Forderung: Schweizer Banken sollen die über Jahre unzulässig einbehaltenen Provisionen herausrücken. Unverhoffte Rückendeckung gibt es sowohl durch Urteile der Schweizer Obergerichte als auch vom Bundesgerichtshof (BGH).

Es geht um versteckte Vergütungen, die auch in Deutschland üblich sind und in der Schweiz Retrozessionen genannt werden. Banken und Vermögensverwalter kassieren sie von Fondsgesellschaften und anderen Produktanbietern zusätzlich für ihre Vertriebsdienste. Die Rede ist von einem halben Prozent des angelegten Kundenvermögens. Bei einem Depotwert von einer Million Euro wären dies 5000 Euro pro Jahr, auf zehn Jahre gerechnet 50.000 Euro. Das Geld stand den Banken nie zu, stellte das Schweizer Bundesgericht schon 2006 und noch einmal 2012 klar, sondern den Kunden.

Da kommt der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich wie gerufen. Die Richter entschieden, dass Kunden nicht nur den zivilrechtlichen Weg gehen können, sondern auch den strafrechtlichen. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte sich zuvor in einem Fall gegen die Bank Coutts geweigert, Ermittlungen wegen des Verdachts auf Privatbestechung einzuleiten. Wie das Verfahren in diesem Fall ausgeht, ist noch offen. Doch Anwälte gehen alleine durch die nun gegebene Möglichkeit strafrechtlicher Ermittlungen in Zusammenhang mit Retrozessionen davon aus, dass Kunden leichter an das geforderte Geld kommen. Die Verhandlungsposition habe sich verbessert, die bislang von vielen Banken angewandte Taktik des Aussitzens funktioniert nicht mehr.

Bei Credit Suisse wie UBS äußert man sich nur ungern zu dem Thema. Ein Credit-Suisse-Sprecher verweist darauf, dass die Bank schon vor Jahren ihren Kunden offengelegt habe, wo und bis zu welchen Obergrenzen Entschädigungen anfallen. Kein Wort jedoch gab es dazu, wie die Bank den Richterspruch des Obergerichts in Zürich bewertet, ob sie nun vermehrt Strafanzeigen erwartet, wie sie darauf reagieren will. Bei der UBS heißt es noch knapper, dass die Bank das Thema „fallweise vor dem Hintergrund der Gesamtbeziehung mit ihren Kunden erläutert“. Schätzungen von Schweizer Medien zufolge haben eidgenössische Institute pro Jahr mehrere Milliarden Franken kassiert, die ihnen eigentlich nicht zustanden. Vor allem die lukrativen Jahre vor dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 könnten nachträglich noch teuer werden.

B. Rechtsprechung

Zwei Entscheidungen aus der jüngeren Vergangenheit haben auf die Arbeit von aus der Schweiz heraus operierenden Vermögensverwaltern maßgeblichen Einfluss. Zum einen hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein in der Schweiz ansässiger Vermögensverwalter auch vor einem deutschen Gericht verklagt werden kann, zum anderen hat sich das Bundesgericht der Schweiz in einer vielbeachteten Entscheidung zur Auskehrung von Retrozessionen an Vermögensverwaltungskunden beschäftigt.

Mit Urteil vom 6. März 2012 (Az. VI ZR 70/10) hat sich der BGH zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei der Inanspruchnahme schweizerischer Vermögensverwalter und Banken geäußert. Nach dem sog. „Lugano-Übereinkommen“ zur internationalen Zuständigkeit in Zivilsachen kann ein Verbraucher aus einem Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung vor dem Gericht seines Wohnsitzes klagen, sofern dem Vertragsabschluss in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist.

Diese Voraussetzungen sah der BGH in der genannten Entscheidung als erfüllt an. In der Regel handelt es sich bei Vermögensverwaltungskunden um Verbraucher im Sinne des sog. „Lugano-Übereinkommens“, da die Vermögensanlage meist privaten und nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken dient. Auch der Dienstleistungscharakter liegt bei einem entgeltlichen Vermögensverwaltungsvertrag in aller Regel unproblematisch vor. Für die Erfüllung des Merkmals der Werbung bzw. des ausdrücklichen Angebots ist es darüber hinaus nach Ansicht des BGH nicht erforderlich, dass die Initiative zu dem Angebot vom Vermögensverwalter oder der Bank ausgeht. Ausreichend ist vielmehr, wenn das Angebot auf einer vorherigen – erstmaligen – Kontaktaufnahme durch den Anleger beruht.

Schließlich hat der BGH auch festgestellt, dass in einem solchen Fall die konkrete Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes in der Schweiz im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrages ins Leere geht, da eine solche Vereinbarung nur dann gültig wäre, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit zwischen Vermögensverwalter und Kunden getroffen worden wäre. Damit ist einer Klage in Deutschland gegen einen in der Schweiz ansässigen Vermögensverwalter nicht von vornherein der Weg verwehrt, sollte der Vermögensverwaltungsvertrag hierzu andere Regelungen enthalten.

Die o.g. Entscheidung des BGH bezieht sich auf Fallgestaltungen vor Inkrafttreten einiger Änderungen zum Lugano-Übereinkommen zum 1. Januar 2011. Seit diesem Datum ist lediglich noch entscheidend, dass der Schweizer Vermögensverwalter seine Tätigkeit (auch) auf Deutschland ausgerichtet hat, wobei auch unter diesem Kriterium nach der vorgestellten BGH-Entscheidung unerheblich ist, wenn die Initiative zum Vertragsabschluss vom deutschen Kunden ausgegangen sein sollte.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH in dieser Entscheidung, nach welchem materiellen Recht – nach deutschem oder schweizerischem Recht – der Fall zu beurteilen war.

Spannend ist diese Frage insbesondere vor dem Hintergrund der nachfolgend am 30. Oktober 2012 getroffenen Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts (Az. 4A 127/2012) zur Herausgabe von Retrozessionen bei der Vermögensverwaltung durch eine Bank. Denn das Zusammenspiel der beiden Entscheidungen kann dazu führen, dass deutsche Kunden einer schweizerischen Vermögensverwaltung vor deutschen Gerichten auf die Herausgabe vereinnahmter Provisionen klagen können.

Mit seinem Urteil vom 30. Oktober 2012 hat das Bundesgericht der Schweiz klargestellt, dass eine Bank, die als Vermögensverwalterin tätig wird, Vertriebs- und Bestandspflegeprovisionen, die sie für den Vertrieb von Anlagefonds oder strukturierten Produkten erhält, an den Kunden herausgeben muss. Die Herausgabepflicht besteht dabei auch dann, wenn die Retrozessionen von eigenen Konzerngesellschaften an die vermögensverwaltende Bank fließen.

Nach einer früheren Bundesgerichts-Entscheidung (vgl. BGE 137 III 393) ist im Übrigen eine pauschale Verzichtsklausel bzgl. Retrozessionen, wie sie von vielen Vermögensverwaltern verwendet wird, nicht gültig. Nach Ansicht der Schweizer Bundesrichter muss ein Kunde vielmehr den Umfang der Retrozessionen auf die er verzichten soll sowie deren Berechnungsgrundlagen kennen, um wirksam auf eine Auskehrung verzichten zu können.

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